Vogelkundige kennen den Begriff des Hassens. Manche Vögel versuchen mögliche Feinde, Eindringlinge oder Angreifer zu vertreiben, indem sie sich auf diese stürzen, sie direkt anfliegen oder attackieren. Eulen sind Ziel der Angriffe von Greifvögeln oder Krähen, die sich vor allem in Brutzeiten zu Gruppen zusammenschließen. Eulen jagen selbst überwiegend nachts Vögel, darunter auch Tauben oder Entenküken, und in Bodennähe Igel, Kaninchen, Mäuse, Schnecken oder Regenwürmer. Zur Jagdbeute der Uhus gehören außerdem andere Eulen wie der Waldkauz und die Waldohreule.
Nur Adler können einem ausgewachsenen Uhu gefährlich werden.
Lange galt der Uhu als Jagdschädling und Konkurrent der Jäger. Heute zählt er zu den streng geschützten Arten.
Im Alten Testament zählt der Uhu laut Martin Luthers Übersetzung zu den unreinen Tieren, die nicht verzehrt werden durften. Im Mittelalter wurden Eulen als Hexenvögel bezeichnet. Der Ruf des Uhus in der Nacht wurde oft als böses Vorzeichen gedeutet. In einem Märchen der Brüder Grimm erschreckt der „Schuhu“ ein ganzes Dorf. Im Kinderlied „Die Vogelhochzeit“ bringt der Uhu der Braut die Hochzeitsschuhe. Bei Shakespeare ertönt der Ruf des Vogels der Nacht, als Macbeth den König ermordet. „Le Grand-duc“ – Der Großherzog – nannte Edouard Manet sein Gemälde eines toten Uhus.
In einigen Ländern der Erde jedoch und sogar in der Lausitz galt der Uhu als Glücksbringer.
Wir haben den Aberglauben abgelegt und verehren die Eule als weisen Vogel, etwa als Leseeule. Er erscheint als Symbol für Wissenschaft und Technik.
Welche Rolle übernimmt der Uhu bei Friedrich Wilhelm Weber?
Im ersten Kapitel des Versepos „Dreizehnlinden“ tritt der Uhu als mürrischer Kritiker auf. Er verhöhnt den Dichter: „Rauh sind deines Sanges Töne.“ Er fordert ihn auf: „Laß das Leiern, laß das Klimpern! / O es schafft dir wenig Holdes; / Beßres Klingen, bestes Klingen / Scheint das Klingen mir des Goldes …“
Der Dichter soll lieber die eigene Haut pflegen, im Garten Rüben und Gerste auf dem Acker anbauen. Er soll auf den „Wust papierner Träume“ verzichten. Literatur gilt dem Uhu als „öder Plunder“. Das große Ziel der großen Zukunft sei die „Einerleiheit“, die schrankenloseste Bewegung sei die wahre Völkerfreiheit.
Der Dichter nennt den Uhu einen „gelben Neidhart“, einen Vertreter der Verneinung der seelenfrohen gotterlösten Welt. Der Dichter setzt die Schönheit der Natur dagegen, das Grottenheiligtum, in dem eine stille blaue Blume träumt.
Im elften Kapitel erscheint der Uhu wieder. Er sitzt „einsam grollend“ in einer dunklen Felsenritze und spottet über den Knaben, der eine Meinung haben will. Weise sei es, sich selbst zu verleugnen und zu denken, was die Starken denken. Das Recht lasse sich biegen und beugen. Freiheit ist für den Uhu nur dann ein Vergnügen, wenn man auf seinen eigenen Willen verzichtet und sich fremdem Willen fügt, wenn man im Tross der Macht läuft, immer mit dem großen Haufen. Hass und die Lust am Schaden sind besser als Liebe.
Wenn zwei sich streiten, rot vor Zorn und blass vor Neid, ist es für den Uhu köstlich anzusehen. Der alte Neidhart freut sich über die gezupften und gezausten Federn und polstert mit ihnen sein Nest.
Er spottet über Tugend und Moral, über Güte und humanen Liebesdusel. Der sei gekünstelte Erregung. „Morgen macht ihr euch, ihr Frommen / Selbst das Recht zu atmen streitig.“
Wenn er nichts zu essen hat, geht er zu den Nachbarn. Nur ein dummer Gimpel lebe und sterbe auf seinem Ast. Das Vaterland gilt ihm wenig. Es sei die dümmste Liebe, ein Vaterland zu lieben, wenn man daraus vertrieben worden sei.
Das richtet sich an Elmar, den träumerischen Schwärmer, der auf seiner Flucht das Klostertor erreicht und bewusstlos vom Pferd sinkt.
Im 24., dem vorletzten Kapitel des Epos, gibt sich der Uhu, in einer Felsenritze verborgen, struppig, verdrießlich und böse, weil Elmar das Christenwasser genommen hat, sich also taufen ließ. Christen und Heiden seien blöde Toren.
„Keine Götter sind dort oben / Und deshalb kein Recht hienieden.“
Nur mit Waffen schaffe man sich Recht. Der Glaube sei nur Ballast. Er, der Uhu, glaube nur an sich selbst. Als Oberuhu sei er der Denker, seine Lehre werde siegen. Die schärfste Klaue bekomme das beste Stück. Heimat sei für ihn dort, wo es ihm gutgeht, wo er jagen und überleben kann.
„Jene Welt ist für die Katze, / Diese Welt gehört der Eule.“
Der Dichter antwortet dem Uhu am Ende trotzig mit einem „dennoch“. Er verzagt nicht vor dessen Hohn.
Weber sieht den technischen Fortschritt der Eisenbahn, der „dampfbeschwingten Rosse“, als Symbol einer schweren Zeit, eines neuen Babel, in dem Gold, also Geld und Macht den Glauben verdrängen. Er will den Heuchlern und Spöttern etwas entgegensetzen, „abseits der großen Straße“, er schwimmt nicht mit dem Strom, dem Mainstream. „Helf‘ uns Gott den Weg zur Heimat / Aus dem Erdenelend finden.“ Er bittet darum, für den armen Schreiber zu beten. Seine Heimat ist christlich.
Friedrich Wilhelm Weber nutzt den Uhu als unbeteiligten Beobachter, als negativen Kritiker, als Gegenpol, so wie Gero der Gegenpol von Elmar ist. Der christliche Widersacher fügt dem Heiden Elmar Schaden zu, obwohl dieser eine Christin liebt und Christen in Brandgefahr rettet. Darüber spottet der Uhu, über die Doppelmoral, die Tugendheuchelei. Die Christianisierung lief unter Karl d.Gr. bekanntlich nicht immer sehr christlich ab.
Die Welt ist grausam. Weber hat sie als Politiker und Arzt direkt erfahren, in einem Jahrhundert voller kriegerischer Auseinandersetzungen. Es ist eine bittere Realität, der der Dichter sein Dennoch entgegenhält, den Glauben an Gott und seine Schöpfung, also auch den Menschen, obwohl er die menschlichen Schwächen kennt. Der Leser hat die Wahl.
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