Nachtwolke Teil 3
Weh deinen Töchtern, die der Rosen pflegen,
Wie ihnen auch die weiße seltsam steh‘.
Über diese beiden Zeilen bin ich doch arg gestolpert. Die Töchter definiere ich einmal als Frauen allgemein, denn alle sind ja Töchter. Sie pflegen Rosen. Das ist für junge und ältere Frauen aus der Bürgerschicht nichts Ungewöhnliches. Jede und jeder, die und der einen Garten hat, pflegt dort in der Regel auch Rosen.
Weiße Rosen sollen es sein. Da fällt mir gleich Nana Mouskouri ein, die das Lied „Weiße Rosen aus Athen“ 1962 sang und zum Nummer-1-Hit machte. Es wird als Sehnsuchtslied bezeichnet.
Gitte Haenning sang 1969 das Lied „Weiße Rosen“ mit den Zeilen „Weiße Rosen für eine Hoffnung, / von der nur eine Träne mir blieb.“
Für uns heute sind weiße Rosen in Blumensträußen bei Hochzeiten und auch in Trauergestecken gebräuchlich. Weiß als Farbe der Unschuld sehen wir bei Taufen.
Gärtnereien bieten Alba-Rosen gern mit dem Hinweis auf ihre Symbolik an. Schon in der Antike sollen sie kultiviert worden sein, als Zeichen der Eleganz, Reinheit und Demut, des Neuanfangs, aber auch der Entsagung und Trauer.
Aphrodite soll sich an den Dornen eines weißen Rosenstrauches verletzt haben. Ihr Blut tropfte auf eine weiße Rose und färbte sie rot. Nur die weiße Rose war unbefleckt.
Jakob/James II. wurde 1685 König von England, Irland und Schottland. Als er wegen seiner katholischen Konfession abgesetzt wurde, hielt der schottische Adel heimlich zu ihm. Ihr Zeichen wurde eine weiße Rose am Barett, die Jakobitenrose.
Für Martin Luther bedeutete die weiße Rose, dass der Glaube der Anfang himmlischer Freude war und Trost und Frieden gibt. Sein Markenzeichen und Siegelbild wurde die Lutherrose, eine weiße Rose auf rotem Grund, in der Mitte ein rotes Herz und das Kreuz. Auf einem Fenster im Chorraum der Augustinerkirche seines Ordens in Erfurt befand sich solch eine Rose.
Die Widerstandsgruppe „Weiße Rose“ gegen die Nationalsozialisten um die Geschwister Scholl steht im Zeichen der Toleranz und Humanität.
Theodor Storm schrieb 1848 das Gedicht „Weiße Rosen“.
Leb wohl, meine weiße Rose, / Mein Herz, mein Weib, mein Kind!
Storm hatte sich mit der dänischen Regierung angelegt, die seine Zulassung als Rechtsanwalt ablehnte. Er musste eine Stelle in Berlin annehmen.
In Clemens Brentanos Gedicht „Frühes Lied“ soll die weiße Rose sein altes Leben brechen, „aus den Tränen, aus den Schmerzen“.
Von Gottfried Keller stammt das Gedicht „An meine Dame“ aus dem Jahr 1846. Die weiße Rose in der Mitte bringt mit ihrem Blumenflor Sitte und Hoffnung „am Lebenstor“.
Anastasius Grün dichtete 1842: „Du herrlichste aller, o weiße Rose, / Du zarte und reine, du makellose“.
Warum aber steht den Töchtern die weiße Rose seltsam? Und warum steh‘ und nicht steht? Es muss sich auf Ninive reimen. Nur deshalb? Warum pflegen sie nicht die, sondern der Rosen? Warum droht auch ihnen mit Weh die Zerstörung, der Ruin? Warum wie ihnen auch?
Bei Friedrich Schiller findet man den Genitiv nach „pflegen“ in „Die Räuber“. Amalia schimpft im dritten Akt über ihren Vater: „Daheim labt er sich mit süßem köstlichem Wein und pflegt seiner morschen Glieder in Kissen von Eider.“ Bei Wilhelm Busch heißt es: „Denen, die der Ruhe pflegen, / Kommen manche ungelegen.“ Vielleicht empfand er wie Weber „die die“ nicht ästhetisch
Wenn die weiße Rose für Weber das Symbol für Reinheit, Unschuld, also Jungfräulichkeit ist, wirft er vermutlich den Frauen das vor, was er auch den Städten vorwirft: Heuchelei, Hohn und Trug oder, wie in derselben Strophe Babel und Ninive, Lüste und Hoffart.
Über dieses Frauenbild kann ich nur spekulieren. Frauen, die nur so tun, als ob sie unschuldig wären, könnte er bei seiner Europa-Reise in Wien, Paris, Berlin oder Greifswald kennengelernt haben. Andererseits ist belegt, dass er weiblichen Bekannten, adligen oder gutbürgerlichen Damen, Briefe geschrieben und auch harmlose Gedichte geschickt hat.
Ein Schelm, der Böses dabei denkt.
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