Webers Geburtshaus, eine Erinnerungsstätte

 von Johannes Heinemann

Bad Driburger und Alhauser Bürger ergriffen die Initiative und gründeten 1951 einen Verein zur Erhaltung des Weberhauses. Das Haus befand sich in Privatbesitz und wurde als Scheune genutzt. Nun wurde es angemietet, renoviert und als Gedenkstätte eingerichtet. Am 19. April 1953 konnte sie der Öffentlichkeit übergeben werden. Das Haus wurde 1987/88 in ein Museum umgestaltet und ist heute im Besitz der Stadt Bad Driburg. Die Vereinigung der Freunde des Dichters Friedrich Wilhelm Weber e.V. sorgte für die Einrichtung und Ausstattung. 1995 änderte die Vereinigung ihren Namen in „Friedrich-Wilhelm-Weber-Gesellschaft e.V. Bad Driburg“.

Webers Geburtshaus ist ein Vierständer-Fachwerkhaus und stammt aus dem Jahre 1793. Man hat in der Mitte des Hauses die Deele mit gestampftem Lehmboden erhalten, und aus der Dachbodenluke hängt wie damals ein Aufzugsseil, mit dem Heu und Stroh zur Winterlagerung hinaufgeschafft wurden. Nur die Treppenaufgänge zu den sogenannten Upkammern mussten geändert werden.

Rechts neben dem Deelentor lag die Wohnstube der Familie Weber. Über eine Treppe gelangt man in das frühere Elternschlafzimmer. Im linken Hausteil befanden sich Viehställe. Als Webers Vater aus dem Forstdienst ausschied, richtete die Familie hier einen Krämerladen her, der von Webers Mutter betrieben wurde. In den Räumen sieht man Gegenstände und Bilder aus dem einstigen Besitz der Familie und Geräte, die zu Lebzeiten Webers auf dem Lande benutzt wurden. Die drei rückwärtigen Räume des Weberhauses weisen auf die drei Wirkungsbereiche Friedrich Wilhelm Webers hin:

als Arzt – seinen beruflichen Weg, seine medizinische Ausbildung, die Orte, in denen er praktizierte, seine Kollegen und befreundete Mediziner, den damaligen Stand der medizinischen Wissenschaft,

als Politiker –  die Begeisterung des Studenten für demokratische Ideen, die Gründung des „Vereins der Volksfreunde“ im Revolutionsjahr 1848 und dessen aktiven politischen Einsatz, seine Tätigkeit als Stadtverordneter im Driburger Rat, sein mehr als 30-jähriges Mandat im preußischen Abgeordnetenhaus für das Zentrum,

als Dichter bzw. Übersetzer – einige Gedichte in der Original-Handschrift, verschiedene Ausgaben seiner Werke, Übertragungen der Epen „Dreizehnlinden“ und „Goliath“ in verschiedene europäische Sprachen, einige Übersetzungen, biographische Abhandlungen und Rezeptionen.

Fester Grund

Des Hauses untrer Teil sei fest und gut, / Damit er stützt und trägt, was auf ihm ruht. / Dein Werk wird dauern stark und ungeschwächt, / Wenn du es baust auf Wahrheit und auf Recht.

Alhausen und sein Arzt

Weber selbst nannte die Geschichte seiner Kindheit in Alhausen eine „Dorfidylle“: Das ist dort hinter den Weiden, das Dörfchen treu und gut, / Der einzige Winkel der Erde, wo meine Seele ruht.Fast ein Drittel seines Lebens, 26 Jahre, lebte Weber in Driburg. In Alhausen wurde er am 1. Weihnachtstag des Jahres 1813 geboren. Dort verbrachte er auch seine Kindheit. Er spricht von einer glücklichen Jugendzeit mit seinen drei Geschwistern, von „sonnigen Jugendtagen“, an denen er häufig „Über den Bach“ ging und nach Nestern, Rehen und Hirschen, Krebsen und Forellen ausschaute. Seine Familie gab ihm Geborgenheit. Sein Vater war evangelisch, seine Mutter katholisch, sie erzog die Kinder im katholischen Glauben.

Mit dem Übertritt ins Gymnasium war diese Idylle anscheinend vorbei:

Mir griff des Lebens harte Faust / schon in die krausen Kinderlocken; / den Knaben hat es derb gezaust, / hat ihn umsungen und umsaust, / und wahrlich nicht mit Blütenflocken. (Am Amboss)

Seinen ersten Unterricht erhielt er von seinem Alhauser Vikar Jodokus Moritz Finet (um 1760-1830), der von 1817 bis 1823 in Alhausen wirkte. Sein zweiter Lehrer, ein „strenger Lehrmeister“, war von 1826 bis 1827 sein Bruder Konstanz Johannes, der in Paderborn Theologie studierte. Er bereitete ihn auf das Gymnasium vor. Weber galt als ordentlicher und guter Schüler, „wenn auch nicht in allen Fächern“, vor allem in Geschichte und den Fremdsprachen, weniger in Mathematik und den Naturwissenschaften.

Nachdem er 1833 in Paderborn Abitur gemacht und in Greifswald, Breslau und Berlin erfolgreich Medizin studiert hatte, obwohl er als Sohn eines Försters nur geringe Geldmittel erhielt, eröffnete er 1841 in Alhausen eine Arztpraxis. Sein erster Patient war der Pömbsener Tischler Brokmann. Nach zwei Monaten hatte er schon 115 Kranke behandelt, am Jahresende 479 aus Alhausen und Umgebung. Er verlegte im Frühjahr1842 seine Praxis nach Driburg. Sein erster Patient in Driburg war Anton Schröder aus Alhausen. Bald hatte er sich über Driburg hinaus einen guten Ruf erworben, weil er sich unermüdlich für die Kranken einsetzte und etwas von seinem Fach verstand: … ein Helfer hier, ein Tröster dort, / mit heilendem Trank, mit linderndem Wort.

„Sie haben mich aus mancher Krankheit herausgebracht, daher habe ich das meiste Vertrauen zu Ihrer Meinung“, schrieb ein Patient aus Dringenberg. Als er 1848 in Altenbeken einen Patienten besuchte, lernte er dort seine spätere Frau Anna Gipperich aus Meschede kennen, mit der er eine Tochter und einen Sohn hatte. Weber nahm 1867 das verlockende Angebot an, mit seiner Frau, der Tochter Elisabeth und dem Sohn Friedrich Wilhelm in das Wasserschloss Thienhausen in der Nähe von Steinheim umzuziehen. Hier lebte er 20 Jahre, bevor er ein Haus in Nieheim kaufte. Webers Sohn trug den Namen des Vaters und wurde wie er Mediziner.

Weber litt selbst unter verschiedenen Krankheiten, aber vor allem machten ihm die bitteren Erfahrungen in seinem Beruf zu schaffen, wenn er seinen Patienten nicht hatte helfen können. Mich faßte das ernste Leben / mit seinem kalten Arm. (Rückblick)

Am Ende seines Gedichtes „In trüber Stunde“ schreibt er: „Dies Leben ist des Lebens Qual nicht wert“. Ebenso wie viele Menschen, die erst durch Erfahrungen klug werden müssen, zweifelt er zunächst an Gott, sucht dann nach neuer Kraft in seinem Glauben. Vielleicht hat ihm der dänische Theologe Birkedahl, der 1854 in Driburg eine Kur machte, dabei geholfen.

Alhausen und sein Politiker

Groß war Webers Interesse auch am Geschehen seiner Zeit. Sein Wunsch war stets ein einiges, starkes Deutschland mit einer konstitutionellen Monarchie. Schon während seiner Driburger Zeit schloss er sich dem örtlichen „Verein der Volksfreunde“ an und trat in öffentlichen Versammlungen als Redner auf, weshalb man ihn den „roten Weber“ nannte. Der junge Arzt war kein „Radikaler“, wie man heute sagen würde. Er war von der Notwendigkeit einer demokratischen Staatsordnung überzeugt und glaubte andere mit Worten ebenso davon überzeugen zu können. Als die Revolution von 1848 gescheitert war, zog Weber sich für einige Jahre politisch zurück. Doch 1854 wurde er für die Zentrumspartei Stadtverordneter  in Driburg und vertrat seit 1861 für mehr als dreißig Jahre den Wahlkreis Höxter-Warburg im Preußischen Abgeordnetenhaus in Berlin.

Alhausen und sein Dichter

Den Inhalt seiner Gedichte nahm Weber hauptsächlich aus seinem Erfahrungsbereich: menschliche Schicksale, das Leben der Natur, persönliche Erlebnisse und religiöse Themen. Doch er ließ auch politische und historische Themen nicht aus. So entstanden epische Gedichte, Balladen und Romanzen von beachtlicher Qualität. Seine Spruchdichtung, in der in kurzer, treffender Weise Lebensweisheiten formuliert sind, ist meisterlich gestaltet. Generationen von Schulkindern in Driburg und der weiteren Umgebung mussten Webers Versepos „Dreizehnlinden“ lesen und Teile daraus auswendig lernen, nachdem er es 1878 veröffentlicht hatte. In seinem zweiten großen Epos „Goliath“ geht es um das Schicksal zweier sich Liebender, die, dem harten Gebot des greisen Vaters folgend, auf das gemeinsame Lebensglück verzichten.

Literaturkritiker beurteilen sein künstlerisches Werk unterschiedlich. Neben großer Anerkennung steht die völlige Ablehnung. Dennoch erreichten seine Veröffentlichungen relativ hohe Auflageziffern, und die Übersetzungen von Teilen seiner Dichtungen in verschiedene europäische Sprachen haben ihre besondere Bedeutung. 

Zu seiner Zeit hatte Alhausen etwa 40 Häuser und „fast auch eine Kapelle“ (P. Hille). Alhausen war Bestandteil der Pömbsener Pfarrei. Driburg war eine Kleinstadt mit etwa 2000 Einwohnern und wegen seiner Heilquellen schon weithin berühmt.  Nicht  nur in Alhausen, auch in Bad Driburg erinnern viele Straßen und Plätze an Friedrich Wilhelm Weber. Die Realschule ist nach ihm benannt worden. Die Benennung geht auf die Initiative des Gründers der Realschule, Johannes Heinemann, zurück, der bis 1988 Direktor der Friedrich-Wilhelm-Weber- Realschule war.

Aus: „Dreizehnlinden“

Grünt sie noch auf deinem Anger, / Aldinghaus, die alte Linde, / die dem Knaben Sang und Sage / zugerauscht im Abendwinde? / Aldinghaus, zu klug geworden / sind die Menschen unsrer Tage: / Längst verhaun ist deine Linde, / längst verschollen Sang und Sage.

Ich hatte das Glück, mit Johannes Heinemann im Jahre 2002 einige Stunden gemeinsam diesen Text zusammenzustellen. Er hat das Abschmelzen der Realschule zugunsten der neugegründeten Gesamtschule nicht mehr erlebt. (E. Affani)