Als ich 1977 nach Bad Driburg kam, hörte ich zum ersten Mal von einem Arzt, Politiker und Dichter namens Friedrich Wilhelm Weber. Ebenso unvorbereitet hatte mich die Änderung des Themas meiner Examensarbeit an der WWU Münster durch einen Prüfer aus Detmold getroffen. Ich wollte über die Rezeption von Gottfried Benn im Nationalsozialismus schreiben, der Prüfer ersetzte Benn durch Christian Dietrich Grabbe, den ich so wenig kannte wie Weber. Ich rümpfte über den Provinzialismus und Lokalpatriotismus ein wenig die Nase. Aus meinem Heimatkreis Diepholz war kein Lokaldichter hervorgegangen, nur Hermann Löns war mir von Zeit zu Zeit begegnet, vor allem seine Lieddichtung. Niemals hätte ich ihn in die Reihe künstlerisch wertvoller Literaten eingeordnet. Der Ruch des Nationalismus hing an ihm.
Die aufgelöste Realschule in Bad Driburg trug von 1970 bis 2018 den Namen des in Alhausen, dem heutigen Ortsteil von Bad Driburg geborenen Weber. Die Reihenfolge Arzt, Politiker und Dichter stammt von Johannes Heinemann und der Weber-Vereinigung – Vereinigung der Freunde des Dichters Friedrich Wilhelm Weber –, die 1995 in Friedrich-Wilhelm-Weber-Gesellschaft e.V. umbenannt wurde.
Bei Jubiläen dienten Teile des Werkes als Grundlage für Vorträge und Spielszenen auch mit Schülern. Die Weber-Gesellschaft blieb erstaunlich verborgen. Die Stadt unterstützte die Bemühungen, aus Webers Geburtshaus in Alhausen eine sehenswerte Gedenkstätte zu machen. Der Garten stand zuletzt im Mittelpunkt des Interesses. Zur 200-Jahr-Feier des Geburtstages 2013 konnte das Weber-Museum fein herausgeputzt präsentiert werden.
Die Stadt hatte den Lokaldichter abonniert. Es gab keinen anderen, wenn man von Hermann Fromme und einigen Gelegenheitsdichtungen absieht, die im Mitteilungsblatt abgedruckt waren.
Nach dem Tod des letzten Vorsitzenden Hermann Sömer 2018 und durch die Corona-Pandemie ist es sehr still um die Gedenkstätte und die Weber-Gesellschaft geworden.
Unter den Kolleginnen und Kollegen Germanisten gab es keine Diskussion über den Wert der Weberschen literarischen Erzeugnisse. Er galt in Bezug auf Inhalte und Sprache als verstaubt, provinziell, altbacken, nationalistisch und von daher indiskutabel. „Den kann man heute nicht mehr lesen!“ war die einhellige Meinung. Die Produktion von temporärem Lokalkolorit nahm man hin.
Propagiert wurde Weber als Dichter des Epos „Dreizehnlinden“, der die Überwindung des sächsischen Heidentums durch das fränkische Christentum besingt. Unermüdlich, aber nicht übermäßig überzeugend stellten Stadt und Weber-Gesellschaft ihn als Heimatdichter auf einen Sockel. Damit weckten sie bei manchem literarisch Gebildeten unliebsame Assoziationen mit den Nationalisten und Nationalsozialisten. Das Bestreben, die ostwestfälische als westfälische Region darzustellen und Weber als westfälisch geprägte Persönlichkeit mit Vorbildcharakter, stieß bei jüngeren Menschen eher auf Abneigung. „Glaube, Sitte, Heimat“ als Motto auf den Balken der Schützenhäuser mochte man noch hinnehmen. Aber der strenggläubige Katholizismus, den man Weber unterstellte, war ebenso verdächtig wie der kitschige Heimatbegriff. Schriftsteller wollte man international, kosmopolitisch und allgemeingültig, also zeitlos wahrnehmen.
Die Schüler zwingt man heute nicht mehr zum Lesen, man motiviert sie. Schülerredakteure stellten ihre Sicht 1988 in einer Karikatur auf dem Titelblatt der Schulzeitung dar. „Hör auf zu dichten, Friedrich! Aus dir wird nie was!!!“, sagt ein unsympathisch gezeichneter Lehrer und schlägt dem schreibenden Jungen mit dem Lineal auf den Kopf. „Ist ja gut, ich bin doch schon lange tot!“ lautet die Bildunterschrift.
Die Büste Friedrich Wilhelm Webers wurde nicht zufällig 1934 im Kurpark aufgestellt. Nach der Verbrennung und Verbannung unliebsamer Bücher arbeiteten überall im „Dritten Reich“ Heimatbünde mit den Machthabern zusammen. Der Westfälische Heimatbund war bereits 1933 auf deren Linie geschwenkt.
„Bei den ‚Klassikern‘ der westfälischen Literatur (Droste, Weber, Freiligrath, Grabbe) wurde dagegen das ,Westfälische‘ krampfhaft herausdestilliert und verabsolutiert“, schreibt Walter Gödden (S. 6). Die Heimatbewegung lieferte die Schubladen mit genehmen Autoren, westfälischen vor allem. Der Westfälische Provinzialverband stiftete 1935 den Westfälischen Literaturpreis. Gödden beschreibt, wie die Beziehung zu Westfalen, die geforderte Heimattreue, dominant wurde. Gefördert wurden provinzielle Kulturpolitiker und Heimatdichtung, durch den Landschaftsverband Westfalen-Lippe auch noch nach 1945.
Hatten vor 1933 noch Religion und Moral die größere Rolle gespielt, war es danach die Kompatibilität mit nationalistischen Zielen.
In den katholischen Regionen Ostwestfalens, im Hochstift vor allem, spielte die volkstümliche Dichtung des Katholiken Weber – den Protestantismus des Vaters ausblendend – eine traditionell größere Rolle. Allerdings unterschieden die Akteure nicht mehr zwischen volkstümlich und volkstümelnd. „Man klammerte sich fast ängstlich an den Begriff des Westfälischen“, erklärt Gödden (S. 8). Indem man die Grenzen Westfalens in der Literatur nachzog, grenzte man die Literatur ein.
Auch Weber, der sich der Enge seines „Dörfchens treu und gut“ während seines Lebens immer mehr entzog, wurde genau auf diese Grenzen reduziert.
Zum Volkstümelnden kam das Deutschtümelnde. Ob Webers Literatur ästhetisch anspruchsvoll oder innovativ war, wurde nicht gefragt. Dass er sich in die Tiefen der germanischen und nordischen Literatur zurückzog, wurde als besonders inniges Geschichtsbewusstsein gedeutet. Der Kampf der (heidnischen) Sachsen gegen die (christianisierten) Franken wurde überhöht, dass aus guten Germanen gute Christen, aber vor allem gute Deutsche und gute Westfalen werden konnten, das begeisterte das Volk. Weber konnte sich nicht mehr wehren.
„Literatur wurde in diesem Kreis hauptsächlich unter nationalem Aspekt gesehen“, konstatiert Gödden (S. 11).
Webers Biograf Julius Schwering (1863 – 1941) war Literaturprofessor in Münster, Experte für deutsche Sprache und Literatur. Er sah die Universität als „westfälische Hochschule“, die von dem „alten Kulturboden“ abhängig war (Gödden S. 11). Diese hatte „westfälisches Geistesleben, insbesondere der heimatlichen Dichtung“, die Dichtung der „Roten Erde“ zu erforschen, als deren „Sohn“ er sich empfand.
Die Literaturforschung war völkisch-nationalsozialistisch, es tümelte: Volkstum, Schrifttum, Westfalentum, Deutschtum, Germanentum. Der Volks- und Stammescharakter zählte.
„Provinzielle und nationalsozialistische Literaturauffassung bewegten sich immer mehr auf einander zu“, schreibt Gödden (S. 12).
Wolfgang Rinschen beschreibt den Buchschmuck des „durchaus beachtlichen“ „NS-Künstlers“ Albert Reich für die Prachtausgabe von 1928 und die „eindrucksvollen Stimmungsbilder“. Reich idealisiere das rassistische Menschenbild des Unrechtstaates und lasse Elmar als kraftstrotzenden Helden, Hildegunde als tugendsame nordisch-arische Frau mit blonden Zöpfen auftreten. (52/53)
„Wer geboren ist im Gaue der alten Sachsen“ – so zitiert Rinschen Heinrich Deiters –, der lehnt heute diese Klischees ebenso ab wie der Zugezogene. Der Zwang zur Identifikation kann sich ins Gegenteil verkehren.
Webers Tochter biederte sich den Nazis an und unterstützte sie in Nieheim. Rinschen bezeichnet sie als „Hitlers beste Wahlkämpferin“ (65). Auch das erzeugt bei heutigen Demokraten eher Abneigung, auch wenn Existenzangst bei Elisabeth Weber das Motiv war. Ebenso unangenehm erscheint heute das Bemühen des Schöningh-Verlags nach 1933, mit Etiketten wie „urgermanisch“ neue Auflagen zu promoten. Es ist gut für die Rezeption, dass „Dreizehnlinden“ in der NS-Zeit aus den meisten schulischen Lehrplänen gestrichen wurde. Rinschen begründet dies: „Webers Ideale der Rechtsstaatlichkeit, Toleranz und Konfliktüberwindung stehen den nationalsozialistischen Erziehungszielen konträr gegenüber.“ (68)
Ich halte in diesem Zusammenhang auch die religiöse Komponente für wichtig. Die Kirchen unterstützten das menschenfeindliche Regime nur bedingt, der Widerstand wurde mit der Judenverfolgung stärker. Driburger Straßennamen belegen, dass Geistliche, auch Bürger der Stadt, zu Opfern der Terrorherrschaft wurden: Pater Riepe, Eduard Müller, Dechant Wilhelm Becker. Die Christianisierung war für die Nazis kein Thema, sie brauchten Weber nicht.
Nach 1945 musste sich die Literaturwissenschaft mühsam wieder aus diesen engen Fesseln lösen. Als Clemens Heselhaus über die Frage „Was ist das eigentlich Westfälische an der westfälischen Literatur?“ referierte und den Begriff „westfälisch“ als irrelevant zerlegte, löste er einen Sturm der Entrüstung aus. Er behauptete: „Die Dichter aus Westfalen hätten keinerlei
Gemeinsamkeit, es gäbe [gebe] keine innerregionale Traditionsbildung, vielmehr hätten die Autoren jeder für sich geschrieben, seien eher geniale Dilettanten gewesen als Repräsentanten ein und derselben westfälischen Literaturschule. Auch sei Literatur in Westfalen immer die Sache einer kleinen Minderheit gewesen; weder bei Grabbe, Freiligrath, Friedrich Wilhelm Weber oder der Droste sei etwas spezifisch Westfälisches auszumachen, ja das Westfälische sei überhaupt eine Mystifikation; es stehe ein für falsches Pathos, und auch der Geist von Blut und Boden schwinge noch gehörig mit.“ (Gödden S. 15)
Gödden bemerkt über Heselhaus‘ Rückzug an die Uni Gießen: „Er war es offensichtlich leid, sich mit Berufswestfalen herumzuzanken.“ (S. 16)
Friedrich Wilhelm Weber als genialen Dilettanten zu sehen ist nicht besonders schwer. Sein Hauptberuf war der des Mediziners, damit ernährte er seine Familie. Der zweite Beruf, der des Abgeordneten im Preußischen Landtag, brachte ihm eine Abgeordneten-Entschädigung, Tagegelder (1876: 15 Mark) und Reisekosten-Erstattungen. Dass ihm zum Lesen, Dichten und Übersetzen überhaupt noch Zeit blieb, verdankt er zu einem großen Teil der Entfernung von seiner Familie, zum andern der Unterstützung dieser Familie, seiner Frau und vor allem seiner ledig gebliebenen Tochter Elisabeth.
Außerdem waren seine literarische Tätigkeit und seine Kenntnis verschiedener Sprachen auch das Tor zur Welt. Über sie hielt er Kontakt zu vielen literarisch Gebildeten, bis nach Skandinavien.
Nach 1945 distanzierten sich seriöse Literaturwissenschaftler von der Art der Rezeption, die die Nationalsozialisten gepflegt hatten. Gödden zufolge waren deren regionalen Bezüge Zeichen ihrer „restaurativen Ideologie“, sie hatten „zweit- und drittklassige Heimatautoren“ gefördert.
Im Jahre 2013 gab die Weber-Gesellschaft eine Festschrift heraus, in deren Titel der Dichter Weber zwischen dem Arzt und Politiker stand. Der Untertitel lautet: „Ein ungewöhnlich populärer Westfale“. Das Berufswestfalentum kam wieder zum Vorschein. Ihn 2013 noch oder wieder populär zu nennen war dem Bemühen zu verdanken, Weber zum Werbeträger zu machen. Der Landrat zitierte im Grußwort einen Zeitungsartikel: „Der große Dichter und Arzt imponiert durch die reiche Fülle vorbildlichen Menschseins.“ Weber habe einen „Auftrag in der Welt“ gehabt, immer hätten für ihn „die Mitmenschen“ im Mittelpunkt gestanden. Er habe „Ruhm weit über seine Heimat hinaus“ gehabt. „Sein menschliches, christliches und nachdenkliches Wesen“ sei immer noch vorbildhaft.
Der Bürgermeister von Bad Driburg erweiterte den Reklamecharakter von Webers „Kulturgut“ bis zum Antrag des Klosters Corvey auf Anerkennung als Weltkulturerbe. „Im Interesse unserer Bürgerschaft“ engagierten sich „Personen für die Erhaltung der Kultur und Literatur“.
Der Nieheimer Bürgermeister betonte, dass junge Leute der Ausbildung wegen wegzögen, dass es aber entscheidend sei, dass sie „wieder den Weg in die Heimat“ fänden. Er sieht Weber auch als Vorbild, sogar „völlig losgelöst von seinem dichterischen Wirken“, und empfiehlt einen Besuch im Nieheimer Weberhaus: „Nieheim ist und bleibt die ‚Weberstadt‘ – und wir sind stolz darauf!“.
Das Pathos überwältigt immer noch, aber es steckt ja auch viel Geld und Arbeit in den Erinnerungsstätten und die sollen sich möglichst auch bezahlt machen.
Der Kreisheimatpfleger erwähnte immerhin, dass Webers Dichtung „nicht mehr so leicht vermittelbar“ sei, weil sie „einem bestimmten historischen Sprachstil verpflichtet ist“. Webers „Gesänge und Verse“ bezeichnet er als virtuos, ihre Inhalte als gefällig und ernsthaft. Er regt schließlich eine weitere Auseinandersetzung mit Webers Zeit an. Webers Persönlichkeit sei ein „wichtiges Bindeglied und Identifikationsmerkmal unserer Region“.
Wenn ein Westfale dichtet, dürfen sich alle Westfalen geschmeichelt und alle Nichtwestfalen ausgeschlossen fühlen?
Das Weberhaus, in dem Weber die letzten sieben Jahre bis zu seinem Tod wohnte, ist inzwischen (2021) kein Weberhaus mehr, es war Kolpinghaus, „Heimvolkshochschule“ und Flüchtlingsunterkunft (ZUE). Es ist aktuell ein Bildungshaus im Besitz der Koptischen Kirche und damit vor dem Abriss bewahrt worden. Webers Wohnräume sind als Museum weiterhin erhalten.
Die jetzigen Besitzer des Wasserschlosses Thienhausen behaupten auf ihrer Website, Weber habe bis zu seinem Tode dort gelebt. Die Website teutoburgerwald.de nennt Weber einen der bedeutendsten Nieheimer Dichter und Denker.
Die Betonung der Popularität ist noch kein Beweis für ihre Existenz. Sich mit fremden Federn zu schmücken war noch nie ein Qualitätsmerkmal.
Eine „stille Liebe“ zu Webers Dreizehnlinden-Epos wird sich bei mir nicht entwickeln, ich lasse sie Wolfgang Rinschen, der 2007 herauszufinden versuchte, warum das Werk „versunken und vergessen ist“. Ich teile seine Wertschätzung des Moralisten Weber: die Gedanken von Frieden und Versöhnung, ein tolerantes christliches Weltbild, Gottes Liebe, Nächstenliebe und die Toleranz als Kernaussage.
Rinschen erwähnt die Randnotizen eines Theologen, der Gedanken aus den „Lehrsprüchen des Priors“ interpretiert.
„An ein Buch zu erinnern, das unseren Eltern und Großeltern wertvoll war“ ist schon ein gewichtiges Motiv, Weber nicht zu vergessen. Aber gilt das auch noch für die Urgroßeltern? Rinschen selbst bezweifelt es. Es nütze weder Weber noch seinem Werk, dass Urgroßvater, Großvater und Vater sie gelesen und im Bücherschrank aufbewahrt hätten.
Frauenliteratur scheint es dann ja überhaupt nicht zu sein.
Weber hat das Ende des Kaiserreiches nicht erlebt, nicht die Erfolge und das Scheitern der Republik, die Diktatur der Nazis, den Zweiten Weltkrieg mit über 50 Millionen Toten und den absolut unmoralischen, intoleranten, unchristlichen Massenmord an den Juden.
So unschuldig, wie Weber sich in das neunte Jahrhundert zurückzog, können wir uns nicht in sein Jahrhundert zurückziehen. Die Säkularisierung, der Materialismus, den Weber so abstoßend fand, die Industrialisierung, die er weitgehend ignorierte, die Demokratisierung und der relative Wohlstand auch der Kleinbürger, das Abwenden vom Christentum bzw. von den Kirchen sind mit dem Thema der Christianisierung der heidnischen Sachsen heute nicht mehr zu verbinden.
Ich zitiere gern Webers Rat, rückwärts blickend vorwärts zu schauen. Den Anfang des Epos, das vielzitierte, auswendig gelernte „Wonnig ist’s“, ertrage ich in seiner Abgegriffenheit nicht, so viel Flachheit wird dem Dichter Weber auch nicht gerecht. Goethes „Vom Eise befreit sind Strom und Bäche“ ist ein ähnliches Klischee, aber das Zitat wird dann unerträglich, wenn man es mit falschem nationalen Pathos belegt.
Man kann je nach Herkunft und Interesse dem gesamten Werk Webers in Teilen etwas abgewinnen. Wer Naturlyrik liebt, wird Weber mögen. Wer in Alhausen geboren wurde, darf eine Sympathie für die dörfliche Idylle in Webers Gedichten entwickeln. Wer die zunehmende Abkehr vom christlichen Glauben beklagt, darf sich mit Weber verbunden fühlen. Wer noch betet, darf auch mit Webers Lyrik beten und sich von ihr trösten lassen. Wer den Artikel 3 unseres Grundgesetzes mag, darf Webers Aussagen zur Menschenwürde gern weiter nutzen.
Wer tragische Liebesgeschichten gern hat, kann sich auch mit dem „Goliath“ anfreunden.
Wer ihm im Garten des Weberhauses in Alhausen auf die Büste klopft, darf ruhig sagen: „Fritz, dein Bart ist altmodisch!“ Dennoch ist er für Weber charakteristisch.
Eine pathetische, lokalpatriotische, frömmelnde oder nationalistische Überhöhung trägt dazu bei, Weber in der historischen Versenkung verschwinden zu lassen. Dafür ist er einfach nicht mehr populär genug.
Seine Fraktionsfreunde vom Zentrum hätten ihn gern in Berlin begraben. Die Nieheimer fanden es erhebend, dass seine Beerdigung ein Spektakel wurde. Die Driburger packten ihre Verehrung mit großem finanziellen und ehrenamtlichen Engagement in sein Geburtshaus, weil Alhausen heute Ortsteil der Stadt ist.
Die Prachtausgabe von Karl Rickelt kostete 1904 vierzig Mark. Ich erhielt sie aus einem Göttinger Antiquariat für einen Euro.
Winfried Freund versuchte 1993 den Dichter als poetischen, christlichen, moralischen und didaktischen Realisten zu würdigen, ihn zu entstauben. Das Staubtuch liegt im Moment unbenutzt im Spind der Webergesellschaft, von der man seit dem Tod des letzten Vorsitzenden nichts mehr hört.
Ich stimme Rinschen zu: „Das Publikum ist interessanter als das Werk, der Verbraucher wichtiger als der Künstler.“ (82) Bei allen Jubelfeiern waren die Redner und Akteure als Selbstdarsteller wichtiger als der Dichter Friedrich Wilhelm Weber.
Aber Bad Driburg hat keinen anderen.
Walter Gödden: Westfälische Literaturforschung gestern und heute, lwl.org; in: Martina Wagner-Egelhaaf (Hg.): Region – Literatur – Kultur. Regionalliteraturforschung heute. Bielefeld: Aisthesis 2001 (= Veröffentlichungen der Literaturkommission für Westfalen, Bd. 2), S. 97-119
F.W. Weber-Gesellschaft (Hg.): 200 Jahre Friedrich Wilhelm Weber, Bad Driburg 2013
W. Rinschen / Weber-Gesellschaft: Friedrich Wilhelm Webers „Dreizehnlinden“. Spurensuche in der Geschichte des Versepos, Paderborn 2007
Winfried Freund / Weber-Gesellschaft: Friedrich Wilhelm Weber – ein Porträt des Dichters, in: Friedrich Wilhelm Weber – Arzt, Politiker, Dichter, Paderborn 1993 (2. Aufl. 1996), S. 129 ff.
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